Silly – Kopf an Kopf

Der Medienkonverter sagt über das neue Sillyalbum, was zusagen ist:

Auch bei aller Sympathie, die man Anna Loos gegenüber verspürt, ihr eine stimmlich überragende (Eigen-)Leistung zu attestieren, wäre schlicht und einfach nicht zu begründen. Das gesamte Album hindurch hört das geschulte Ohr immer wieder nicht wirklich sie, sondern mal Anna R., mal Nena, mal Christina Stürmer. Gute Momente, wie in „Deine Stärken“ oder „Die Welt wird hell sein“ sind leider rar gesät. Andere Kritikpunkte sind die wenig anspruchsvollen Texte, die oft belanglosen Dudel- und Geschunkel-Melodien und die Gleichmäßigkeit, die es dem Hörer so schwer macht zu unterscheiden, welcher Titel gerade oder immer noch spielt. Insgesamt ist Kopf an Kopf ein typisches Album, wie es sie in diesem Qualitätssegment schon zu Tausenden gibt. Schade, aber: Willkommen in der Mittelmäßigkeit!

Wahrscheinlich habe ich immer schon mehr Werner Karma gehört als Silly. Deshalb gefiel mir auch Alles Rot so gut. Schade, dass sich Anna Loos von der Interpretin zur Autorin aufgeschwungen hat. Auf dem aktuellen Album konnte ich  genau merken, wer welchen Text geschrieben hat. Und überhaupt: Sehr nervig das. Da lasse ich mir nun schon so eine CD in echt schenken und dann grinst aus allen Ecken die Marketingmaschine: Die Texte nur auf der Webseite, DeluxeEdition des Albums, Kaffetassen, IPhonehüllen…

Immer schön undogmatisch bleiben

Illith hat auf ihrem Blog eine Anleitung „Vegan in 11 Schritten“ Die Thematik Veganismus interessiert mich eher (noch?) nicht. Was es mir aber angetan hat, sind die Reflexionen darüber, wie sich mein Verhältnis zu meinen Mitmenschen gestaltet, wenn ich mich entschieden habe, in irgendeiner Weise entgegen dem Mainstream gutmenschlich zu werden. Das geschieht in den Punkten 5., 8. und 9. Sehr lesenswert für alle, die in sich missionarischen Eifer spüren. 🙂

Josef Mitterer

Wenn dann alle Prüfungen gelaufen sind und ich nicht mehr auf Plato und Co. festgelegt bin reizt mich Josef Mitterer:

„Wir reden über Dinge.“ – Einmal im Ernst: Wer würde diese Aussage ernsthaft bestreiten? Was könnte an diesem Satz anzuzweifeln sein? Welche Alternativen gibt es denn zu diesem scheinbar so klaren Basiskonsens unseres Redens und Denkens? Josef Mitterer sagt nun nicht, dass dieser Satz nicht stimme oder falsch sei, er entlarvt vielmehr lediglich, welche Folgen dieser Basiskonsens unseres Denkens für unsere Fragestellungen und Problemlösungsvorschläge hat. Und spätestens hier macht Mitterer tabula rasa, entzieht er uns den Boden unter den Füßen unseres gesicherten Argumentierens. Doch alles der Reihe nach: Der Satz „Wir reden über Dinge“ enthält zumindest zwei Annahmen, die Mitterer als stillschweigende Voraussetzungen der abendländischen Philosophie outet:

1. Es ‚gibt‘ eine nicht hintergehbare Unterscheidung zwischen dem Reden über Dinge und den Dingen, über die geredet wird, also: zwischen Sprache und Welt, zwischen Beschreibung und Objekt.

2. Unser Reden, unsere Sprache, unsere Beschreibungen sind auf Objekte gerichtet, unser Denken ist durch einen immerwährenden Objekt- und Weltbezug gekennzeichnet. Es scheint einfach nicht anders zu gehen.

Der Typ guckt sich also ziemlich genau unser allerweltsdualistisches Denken an und findet, dass es da einiges zu hinterfragen gibt. Aber eben nicht so wie die Sitzkissenfraktion, die es schon immer gewusst hat und die sich auf alten asiatischen oder neumystischen Kram bezieht.

Er steht damit in einer Reihe mit Josef Elstermann, der ein Buch über andine Philosophie geschrieben hat, der damit eine Denktradition untersucht, die auch jenseits des dualistischen Denkens und des heiligen tertium non datur funktioniert:

Die „Klassifizierungsmanie“ (Panikkar) des abendländischen Geistes trachtet danach, überall Dichotomien und ‘universale’ Gegensätze herauszustellen: Zwischen dem ‘Reinen’ und ‘Unreinen’, dem ‘Geistigen’ und ‘Materiellen’, dem ‘Wissenschaftlichen’ und ‘Außer-Wissenschaftlichen’, dem ‘Theologischen’ und ‘Philosophischen’, zwischen Mythos und Logos, Theorie und Praxis, Gott und Welt, dem Inneren und Äußeren usw. Eigentlich drücken solche Unterscheidungen das Principium tertii non datur aus, das heißt die exklusive Logik des Abendlandes.

Ambivalenz 2

Erst war ich ja noch etwas unsicher, ob es wohl gestattet ist, an der wohligen Hilfsbereitschaftsparty was rumzukritteln. Aber ich bin nicht allein:

  • Auf der vorletzten Seite der MZ witzelt Andreas Montag über die Betroffenheitsfratze der Moderatoren im Frühstücksfernsehen: „Dieser Tage zum Beispiel, wenn die zwangsfröhlichen Moderatoren, denen irgendwer irgendwelche Drogen in den Kaffee krümeln muss, die lieben Zuschauer an einem sonnigen Morgen sonnig begrüßen – und dann, als ob einer den Hebel umlegte, auf Dackelblick und Molltöne umschalten: Scheiße, es ist ja Flut!“
  • Und ein Zusammenschnitt „Medienkriegsberichterstattung Hochwasser

Wahrscheinlich ist es wie mit der Betroffenheitsmedienmaschine in Bowling for Columbine. Und „die Jugend„, die sich in ihrem durchorganisiertem Leben ins Internet verkriecht, die freut sich wahrscheinlich über so ein sinnvolles Realhappening.

Ambivalenz2

Erst war ich ja noch etwas unsicher, ob es wohl gestattet ist, an der wohligen Hilfsbereitschaftsparty was rumzukritteln. Aber ich bin nicht allein:

  • Auf der vorletzten Seite der MZ witzelt Andreas Montag über die Betroffenheitsfratze der Moderatoren im Frühstücksfernsehen: “Dieser Tage zum Beispiel, wenn die zwangsfröhlichen Moderatoren, denen irgendwer irgendwelche Drogen in den Kaffee krümeln muss, die lieben Zuschauer an einem sonnigen Morgen sonnig begrüßen – und dann, als ob einer den Hebel umlegte, auf Dackelblick und Molltöne umschalten: Scheiße, es ist ja Flut!”
  • Und ein Zusammenschnitt “Medienkriegsberichterstattung Hochwasser

Wahrscheinlich ist es wie mit der Betroffenheitsmedienmaschine in Bowling for Columbine. Und “die Jugend“, die sich in ihrem durchorganisiertem Leben ins Internet verkriecht, die freut sich wahrscheinlich über so ein sinnvolles Realhappening.

Ambivalenz

  • Mein regionaler Ministerpräsident dankt für ein “Engagement, dass er so noch nicht erlebt hat.” Eigentlich gruselig, dass er nicht weiß, wie seine Leute ticken und wohl in Vorurteilen über eine verdorbene Jugend gefangen ist.
  • Meine Heimatzeitung feiert die Generation Gummistiefel:

    Weiter geht es ja schon seit Sonntagabend, als der erste Hilferuf durch die sozialen Netzwerke rauschte. Am Gimritzer Damm, den die Fluten der Saale zu überspülen drohten, fanden sich binnen kurzer Zeit mehr als hundert Menschen ein, um zuzupacken. Junge und noch jüngere waren es zumeist. Nicht nur Jungen, sondern auffallend viele Mädchen standen in den langen Reihen, durch die tausende Sandsäcke zu den bedrohten Schwachstellen wanderten. Seitdem ist das Helfen an der beständig vorrückenden Hochwasserlinie zu einer Massenbewegung geworden. Wo Sonntag noch hundert Helferinnen und Helfer standen, waren es am Montag schon mehr als tausend. Am Dienstag schließlich überrollte die Welle der Hilfsbereitschaft die Organisatoren von der Stadt. An den Sandsack-Füllstationen drängten sich Tausende, auf der Suche nach Brennpunkten, an denen noch zupackende Hände gesucht wurden, pilgerte ein schier endloser Zug aus Jugendlichen und jungen Erwachsenen durch die Straßen.

    Es gibt keinen Streit, keine Diskussionen, kein böses, ja nicht einmal ein lautes Wort. Die natürliche Autorität von Uniformen ist allgemein akzeptiert, die Stimmung irgendwo zwischen Ernteeinsatz, Klassenfahrt und Fußball-Endspiel. Es wird gescherzt, die Leute helfen einander.

  • Und ich habe auch so Sandsäcke weitergereicht: Die perfekte Einheit von Körper, Geist und Seele. Eine ganz elementar sinnvolle Sache.

Aber. Das war 2002 Jahren haargenauso. “Die Leute” – vor allem die jungen – sind nicht kaltherzig, garstig und egoistisch. Es gibt Mitgefühl und Hilfsbereitschaft. Aber nur im Extremfall schlagen diese Gefühle in Aktivität um. Warum ist es so verdammt schwer, dass sich massenhaft viele nachhaltig, solidarisch mit der gesamten Schöpfung verhalten, sobald die Verhältnisse scheinbar wieder normal sind. Warum fallen mir Wörter wie Heimatfront und Trümmerfrauen ein.