Khalil Gibran und der Ozean

In Khalil Gibrans „Der Prophet“ gibt es die Zeilen:

Wie der Ozean ist euer göttliches Ich;
es bleibt für immer unbefleckt.

Das Buch ist von 1923. Mit dem „für immer unbefleckten Ozean“ war wohl dann doch nichts.

Was bedeutet es, wenn das für unbeflecklich Gehaltene sich als beflecklich und schon ziemlich befleckt erweist. Ist „das göttliche Ich“ so robust und unkapputbar wie man es vor 100 Jahren von der Natur, vom Ozean dachte?

Tiefenökologie im Liedgut der DDR?

Letztens gab es so einen Liederabend „Weltall-Erde-Mensch-wie-stolz-das-klingt“ im Neuen Theater. So alte Lieder wurden gesungen, rezitiert, verfremdet. Oder sie wurden auch in einander verwoben – etwa „Sag mir wo du stehst“ und „Du entschuldige i kenn di.“ Na ja, auf jeden Fall eine Veranstaltung, die nur für eine Altersklasse Sinn macht, die 1990 schon bei Bewusstsein war. War deutlich am Publikum zu merken – die Jüngeren hörten unverständlichen Klamauk – für mich war es eine hochintelligente Klangcollage meiner Herkunft.

Und da gab es eben drei Lieder, die von einer tiefen Verbundenheit mit allem Seienden sangen:

Mir ist so ein Hermann-Kant-Satz im Kopf, den ich nicht belegen kann: Das Beste an der DDR war die Utopie von ihr.

Parallelwelt

Passend zum Katzenjammer ein gedeihlicher Samstagvormittagsausflug in Hallesche Shoppingwelten. Mit meiner Foodcoopversorgung und meiner Konsummuffeligkeit habe ich mich von dieser Welt schon ziemlich entfernt. Diesmal  überraschte mich die überbordende Auswahl an Kaffeemaschinen.

Katzenjammer

Wenn Citygemeinschaft und LionsClub zum Lichterfest (verkaufsoffener Sonntag mit Feuerwerk) in Halle rufen, dann quillt der Marktplatz über vor Menschen.

In Schneeberg mit 15.000 Einwohnern versammeln sich 800 oder 1.000 Leute um gegen die Unterbringung von Flüchtlingen zu protestieren.

Wenn in Halle mit über 200.000 Einwohnern gegen Nazis demonstriert wird, dann sind ungefähr genau so viele Leute unterwegs. Und ich denke an den linksalternativökologischnachhaltigen Welt(r)evolutionsklüngel, in dem ich unterwegs bin. Das sind keine 500 Leute in Halle.

Ich bin nicht so stark wie Jesus und Konsorten.

Moroland

Pünktlich zur Weihnachtszeit die zuckersüße Spendenwerbung von WorldVision im Briefkasten:


Bei dem, was im grünen Kreis steht, musste ich sofort an das Moroland denken:

„Für die Moro war die Lage so düster, wie sie überhaupt nur sein konnte. Das kleine Hirtenvolk vom Rande der Sahelzone, das seit Menschengedenken mit seinen Rindern von Wasserstelle zu Wasserstelle zieht und nebenbei ein wenig Hirse anbaut, litt Hunger. Tsetsefliegen infizierten ihre Herden mit der tödlichen Rinderschlafkrankheit, Dürren zerstörten ihre Ernten, ihre Kinder starben häufig bereits im Säuglingsalter, und selbst von jenen Moros, die es ins Erwachsenenalter schafften, erreichten nur wenige das 50. Lebensjahr.

Glücklicherweise nahmen sich eines Tages einige deutsche Helfer ihres Schicksals an. Sie bohrten Brunnen, um das Vieh zu tränken, dezimierten die Tsetsefliegenpopulation, gründeten einen Gesundheitsdienst, bei dem die Moro ihre Kinder behandeln lassen konnten und sorgten so binnen kurzer Zeit für einen deutlichen, spürbaren Aufschwung.

Zwanzig Jahre später war die Lage im Moroland schlimmer als je zuvor. Zwar hatten sich zunächst die Rinder vermehrt, weil man die Tsetsefliegen ausgerottet und künstlich bewässerte Weiden geschaffen hatte. Bald aber reichten für die wachsenden Herden die Weideflächen nicht mehr aus, das hungrige Vieh soff die Brunnen leer und fraß die Graswurzeln weg. Mit dem Bohren tieferer Brunnen liess sich kurzfristig Abhilfe schaffen, erschöpfte aber die verbliebenen Grundwasservorkommen umso schneller. Weil zudem die Sterblichkeitsrate stark gesunken war (ein Erfolg der umfassenden Gesundheitsfürsorge), mussten jetzt immer mehr Moros mit immer knapperen Wasservorräten auskommen. Schon bald kündigte sich die nächste Hungerkatastrophe im Moroland an – nur dass diese verheerender war als alle vorangegangenen.“

Und auch ich habe mal im Moroland gearbeitet, damals Anfang der 90er in Simbabwe. Da hatten die Leute in der Kolonialzeit beobachtet, dass Leute mit guter Bildung tolle Jobs kriegen. Deshalb wurden nach der Unabhängigkeit schnell ein paar Hundert Entwicklungshelfer (da war ich dabei) an die Schulen geholt, damit alle eine gute Schulausbildung und tolle Jobs bekommen. Das Ergebnis waren Arbeitslose mit guter Schulbildung.