Nihilismus

Menschliche Kommunikation ist ein Kunstgriff, dessen Absicht es ist, uns die brutale  Sinnlosigkeit eines zum Tode verurteilten Lebens vergessen zu lassen. Von ‚Natur‘ aus ist der Mensch ein einsames Tier, denn er weiß, dass er sterben wird und dass es in der Stunde des Todes keine wie immer geartete Gemeinschaft gibt: Jeder muss für sich allein sterben. Und potentiell ist jede Stunde die Stunde des Todes. Selbstredend kann man mit so einem Wissen um die grundlegende Einsamkeit und Sinnlosigkeit nicht leben. Die menschliche Kommunikation webt einen Schleier der kodifizierten Welt, einen Schleier aus Kunst und Wissenschaft, Philosophie und Religion um uns und webt ihn immer dichter, damit wir unsere eigene Einsamkeit und unseren Tod, und auch den Tod derer, die wir lieben, vergessen. Kurz, der Mensch kommuniziert mit anderen, ist ein ‚politisches Tier‘, nicht weil er ein geselliges Tier ist, sondern weil er ein einsames Tier ist, welches unfähig ist, in Einsamkeit zu leben.
Vilém Flusser, „Kommunikologie“, 1998

Quelle


Statische und prozessorientierte Sprache

Unsere Sprache ist ein unvollkommenes Instrument, das von unwissenden Menschen in grauer Vorzeit geschaffen wurde. Es ist eine animistische Sprache, die dazu einlädt, über Stabilität und Konstanten zu sprechen, über Ähnlichkeiten, Normalitäten und Arten, über magische Transformationen, schnelle Heilungen, einfache Probleme und endgültige Lösungen. Die Welt jedoch, die wir mit dieser Sprache beschreiben wollen, hat sich inzwischen sehr verändert. Sie ist jetzt bestimmt von Prozessen, Veränderungen, Unterschiedlichkeiten, Dimensionen, Funktionen, Beziehungen, Wachstum, Interaktionen, Entwicklung, Lernen, Herausforderungen und Komplexität. Und ein Teil unseres Problems ist die Tatsache, dass unsere sich ständig wandelnde Welt und unsere relativ statische Sprache ein ungleiches Paar sind.

Wendell Johnson

Böse Falle

So… du bist also zweiflerisch und zynisch geworden? Du traust der Regierung, Coca-Cola und dem Fernsehen nicht mehr? Wir sind wirklich sehr erfreut darüber uns selbst zu parodieren, anzugreifen und auch unsere widerwärtigen Absichten und Mittel genau auseinander zunehmen… solange es dich in den Bann zieht. Wir können dir Fernsehshows, Werbung und Comics anbieten, die extra für diejenigen von euch entworfen wurden, die kein Vertrauen mehr in uns haben. Wir haben alles um dich am Glotzen zu halten, alles um dich auch weiterhin zum kaufen zu bringen. Wir spielen mit deinem Zynismus, verdienen an ihm und unterstützen dich sogar darin, ihn auszuleben. Du magst vielleicht in der Lage sein, dir ein Leben ohne uns vorstellen zu können, aber solange wir dich mit unserer Selbstironie in den Bann ziehen, wirst du dir keine Gedanken über Alternativen machen können. Anstatt einen Idealismus zu entwickeln und den Status Quo anzugreifen, wirst du dich viel eher in den Reihen der KritikerInnen wiederfinden, die nicht mehr länger an alles glauben, aber immer noch ihre Rolle in diesem System spielen.

Quelle: crimethInc.

Anti-Atomdemo in Berlin II

Und wieder die Diskussion darüber, wessen Zahl stimmt – mehrere Zehntausend oder 100.000. Natürlich ein Mutmacher und Stimmungsaufheller, wenn man in der Menge Gleichgesinnter mitlatscht. Aber ein Lacher ist die Veranstaltung trotzdem.  Denn mal ehrlich, selbst 100.000 sind ein Eingeständnis der Schwäche der Atomkraftgegner. Wir reden hier schließlich von einer zentralen Demo, zu der die Leute aus ganz Deutschland mit Bussen und Wochenendtickets zusammenströmen. Mir fallen allerlei Veranstaltungen mit wesentlich kleinerer Zielgruppe ein:

Antiatom-Demo in Berlin

kleine Bemerkungen eines Teilnehmers zu den Bildunterschriften der Photostrecke der ARD:

2 Arten von Spiritualität

Ich hatte die Idee davon, dass es zwei Arten gibt, auf einem Sitzkissen zu meditieren zwar schonmal bei Rosenberg gefunden. Aber in dem Büclein „Gespräch von Gabriele Seils mit Marshall Rosenberg“ kommt das Konzept noch deutlicher heraus:

Aggressiver Aktivismus ist also kontraproduktiv für das politische Handeln und friedliches In-sich-Kehren halten Sie für illusorisch. Was schlagen Sie stattdessen vor? Wie kann man erfolgreich gesellschaftliche Strukturen verändern?
Mir geht es darum, das Politische und das Spirituelle zu integrieren. Das heißt, wir handeln aus einer transformierenden Spiritualität heraus, wie Ken Wilber das nennt. Wilber unterscheidet zwischen einer transformativen und einer translativen Spiritualität. Translative Spiritualität nennt Wilber eine spirituelle Praxis, die dir dabei hilft, dir das Leben angenehmer zu machen. Du betest oder meditierst und lernst, Leid auszuhalten, das Leben wertzuschätzen und hinzunehmen, so wie es ist, aber daraus erwächst keine Energie, die die Welt verändern kann. Über Jahrhunderte hinweg war es die Rolle der Kirchen, den Menschen genau diese illusionäre Spiritualität einzuflößen, damit sie nicht gegen die Herrschaftsverhältnisse aufbegehren würden.
Im Gegensatz dazu steht die transformative Spiritualität. Sie bedeutet, dass wir erst an uns selber arbeiten, damit unsere politische Arbeit nicht aus der gleichen Energie heraus entsteht wie die Strukturen, die Gewalt hervorbringen. Wir brauchen ein anderes Bewusstsein, um etwas Positives bewirken zu können. Wenn wir diejenigen zu Feindbildern machen, die an der Spitze der Organisationen stehen, … , dann machen wir mit großer Wahrscheinlichkeit alles nur noch schlimmer. Aber die transformative Spiritualität gibt uns eine ganz andere Art von Energie. Es ist eine Energie, bei der wir die Liebe zum Leben, die wir in uns spüren, weitergeben und nach außen tragen.

Wie zu Bismarcks Zeiten

als sich der Staat als ideeller Gesamtkapitalist drum kümmern musste, dass die Einzelkapitalisten ihr organisches Kapital nicht verrecken lassen, so auch im 21. Jh. Ursula von der Leyen: „In der Tat sollten in der Aufschwungphase die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch davon profitieren.“ Ein Artikel in der MZ listet all die Grausamkeiten des deutschen Kapitalismus im Vergleich zu Europa auf:

Die Bruttostundenlöhne sind seit 2000 so langsam gestiegen wie in keinem anderen EU-Staat. Hierzulande legten sie um knapp 22 Prozent zu, im gesamten Euroraum betrug das Plus dagegen fast 30 Prozent, berichtete gestern das Statistische Bundesamt. Die jahrelange Kampagne von Arbeitgebern und führenden Ökonomen für Lohnzurückhaltung hat sich für die Unternehmen also ausgezahlt. Auch die Klagen über hohe Sozialabgaben zeigten Wirkung: Die Lohnnebenkosten stiegen in Deutschland nur um neun Prozent – also noch weniger als die Bruttolöhne. Der Anstieg ist im europäischen Vergleich extrem gering: Im gesamten Euroraum betrug das Plus 33 Prozent!

Die Mitteldeutsche Zeitung fordert den Staat zum Handeln auf. Wir sind schließlich nicht in Frankreich, wo Gewerkschaften über Generalstreik nachdenken können, wenn das Rentenalter von 60 auf 62 steigt:

Werden Arbeitnehmer künftig mehr Geld auf dem Konto haben? In Industrien wie der Stahlbranche sind die Chancen gut, denn hier gibt es noch starke Gewerkschaften. Im wachsenden Dienstleistungssektor sind Verdi und Co jedoch vielerorts zu schwach, um spürbare Lohnzuschläge durchsetzen zu können. Hier ist die Politik gefordert: Sie kann Mindestlöhne einführen, Tarifverträge für allgemeinverbindlich erklären und die gleiche Bezahlung von Leiharbeitern gesetzlich verankern.

Mir kommen die Tränen

BZA-Präsident Volker Enkerts kämpft für die armen Arbeitslosen gegen „Gleichen Lohn für gleiche Arbeit“:

Muss sich Zeitarbeit an einem sehr hohen IGMetall-Tariflohn messen lassen, der gerade in unteren Lohngruppen nicht unbedingt wirtschaftlich ist? Oder sollten wir die Messlatte eher an einem Lohn anlegen, der ökonomisch tragfähig ist und auch jenen hilft, die heute noch keine Arbeit haben?