Die falsche Frage

Bernd Lunghard
Ewiges Rätsel
Was war zuerst da – Ei oder Henne?
Ich fragte mein Huhn und Professor Ordenne.
Mein Hühnchen sagte dreimal Dock dag; der Professor erklärte den halben Tag.
Doch weiß ich bis heut nicht, was früher vorhanden -ich habe beide nicht verstanden …

Das Gedichtchen lief mir über den Weg und ich musste an die abendländische Philosophie denken und ihre „Eigentümlichkeit, nach grundlegenden Begriffen oder Aussageweisen zu suchen“ oder Plato, mit dem „das begann, was man klassifizierende Manie des Abendlandes nennen könnte.1“ Das ewige Gezerre darum, ob eine Tat gut oder schlecht ist, ein Täter schuldig oder nicht… Na ja eben Bockelmanns Analyse des modernen Denkens.2 Unser naives Gleichsetzen: Wenn wir mit so ein paar Differentialgleichungen die Bewegungen der Gestirne und Billardkugeln beschreiben können, dann muss das doch bei den Bewegungen der Menschen – ihren Handlungen nämlich – genauso sein.

Und so ist die Frage nach Gut und Böse genauso bescheuert wie die nach Ei oder Henne. Es ist einfach die falsche Frage.


1 Josef Estermann: Andine Philosophie
2 Eske Bockelmann: Im Takt des Geldes

DIE WELT erklärt die Welt

In einem Kommentar über Jeff Bezos und die Washington Post:

Der neue „Post“-Eigentümer Jeff Bezos fasst in Worte, was schon die Triebkraft der industriellen Revolution gewesen ist. Die Menschen wollten damals Kunden werden statt Almosenempfänger. Heute wollen die Kunden Teilhaber werden, sie wollen Souveränität und Selbstbestimmung.

Ach hat sich olle Marx schon wieder geirrt, wie er sich das so dachte im Kapital mit der ursprünglichen Akkumulation:

Die durch Auflösung der feudalen Gefolgschaften und durch stoßweise, gewaltsame Expropriation von Grund und Boden Verjagten, dies vogelfreie Proletariat konnte unmöglich ebenso rasch von der aufkommenden Manufaktur absorbiert werden, als es auf die Welt gesetzt ward. Andrerseits konnten die plötzlich aus ihrer gewohnten Lebensbahn Herausgeschleuderten sich nicht ebenso plötzlich in die Disziplin des neuen Zustandes finden. Sie verwandelten sich massenhaft in Bettler, Räuber, Vagabunden, zum Teil aus Neigung, in den meisten Fällen durch den Zwang der Umstände. Ende des 15. und während des ganzen 16. Jahrhunderts daher in ganz Westeuropa eine Blutgesetzgebung wider Vagabundage. […]

Heinrich VIII., 1530: Alte und arbeitsunfähige Bettler erhalten eine Bettellizenz. Dagegen Auspeitschung und Einsperrung für handfeste Vagabunden. Sie sollen an einen Karren hinten angebunden und gegeißelt werden, bis das Blut von ihrem Körper strömt, dann einen Eid schwören, zu ihrem Geburtsplatz oder dorthin, wo sie die letzten drei Jahre gewohnt, zurückzukehren und „sich an die Arbeit zu setzen“ (to put himself to labour). Welche grausame Ironie! […] Bei zweiter Ertappung auf Vagabundage soll die Auspeitschung wiederholt und das halbe Ohr abgeschnitten, bei drittem Rückfall aber der Betroffne als schwerer Verbrecher und Feind des Gemeinwesens hingerichtet werden.

Sharing goes Mainstream

Ein Projekt der Burda-Journalistenschule hat ein Magazin SHARE herausgebraucht. Auf dem Titelblatt zwei glückliche Menschen und: „Super Reisen!“, „Super Mode!“, „Wer teilt hat mehr vom Leben!“ Innen alles schön bunt. Coole StartUps, die sogar Geld mit Sharing machen. Alle perfekt lifestylig, LOHAS-kompatibel. Eine Revolution, auf der man tanzen kann. Am Ende auf den grauen Seiten ein nachdenkliches Interview mit Nico Paech, der die Weltverbesserung durch Sharing differenzierter sieht.

Tauschen und Teilen boomt: Werden wir in der Zukunft weniger kaufen?

Die Share Economy ist möglicherweise nur das Sahnehäubchen eines insgesamt gigantischen Konsumniveaus. Manche globalen Nomaden erhöhen ihre Flexibilität dadurch, dass sie die Dinge vor Ort durch Sharing konsumieren, statt den Ballast mitzuschleppen. Und es ist ja auch viel günstiger. Nehmen Sie nur Couchsurfing im Vergleich zum Hotel beispielsweise. Sharing wird möglicherweise die Hypermobilität unterstützen.

Besonders nachhaltig hört sich das ja nicht gerade an.

Die einzelnen Trends geben nur sehr wenig Aufschluss darüber, ob sie zur nachhaltigen Entwicklung beitragen. Manche Personen fahren nicht deshalb weniger mit dem eigenen Auto, weil sie sich einschränken wollen, sondern weil sie über das Car Sharing noch mobiler sind. Ein eigenes Auto stört die globale Mobilität. Überdies müssen wir in der Share Economy mit digitaler Hardware ausgerüstet sein. Man muss genau hinschauen, was Share-Economy-Nutzer sonst noch in ihrem Leben machen, ob sie über Sharing-Modelle bisherige Dinge durch Dienstleistungen ersetzen oder sie nur zu den alten Gewohnheiten addieren.

Logik von die Welt

DIE WELT stellt klar, was sozial erwünscht ist – Unternehmensgründer werden:

Pubertierende Kinder, die ständig Gebote und Verbote missachten und sich täglich in Rebellion üben, sind für viele Eltern eine stressige Erfahrung. Doch hier kommt eine gute Nachricht für alle leidgeplagten Erziehungsberechtigten: Kinder, die durch regelwidriges, ja antisoziales Verhalten auffallen, werden später mit einer größeren Wahrscheinlichkeit Firmengründer und erfolgreiche Unternehmer.

Die Logik erschließt sich mir nicht. Warum ist es eine gute Nachricht ist, dass Menschen mit einem Hang zu antisozialem Verhalten mit höherer Wahrscheinlichkeit Firmengründer oder erfolgreiche Unternehmer werden.