Weintrinker

Heute früh gab es im Radio Weintrinker von Franz Joseph Degenhardt:

Ich möchte Weintrinker sein,
mit Kumpanen abends vor der Sonne sitzen
und von Dingen reden, die wir gleich verstehn,
harmlos und ganz einfach meinen Tag ausschwitzen
und nach Mädchen gucken, die vorübergehn.
Ich möchte Weintrinker sein.

Ich möchte Weintrinker sein,
und nicht immer diese hellen Schnäpse saufen,
nicht von Dingen reden, die nur mich angehn,
mir nicht für zwei Gläser Bier Verständnis kaufen,
nicht mit jenen streiten, die am Tresen stehn.

Die freundliche Sehnsucht nach Menschlichkeit, der Ekel vor Männerkumpanei – das sprach mich an, in diesem Lied von 1963.

Haiti

Die BUKO in einer Stellungnahme zu Haiti:

Not- und Wiederaufbauhilfe? Ja unbedingt, aber ein nachhaltiger Wiederaufbau kann nur gelingen, wenn die haitianische Seite miteinbezogen wird!

Das Scheinwerferlicht der globalen Öffentlichkeit ist derzeit auf das Leid der Menschen in Haiti gerichtet, die Maschinerie der Katastrophenhilfe ist schnell angelaufen und eine Welle großer Spendenbereitschaft geht um die Welt. Dabei wird vielfach betont, dass es sich hier nicht nur um eine Naturkatastrophe handelt, sondern auch um eine von Menschen gemachte Entwicklungstragödie. Viel zu lange, so ist zu lesen, wurden die Augen verschlossen vor dem, was in Haiti wirklich passierte. Dabei verschafft sich auch ein Diskurs Raum, der so alt ist wie die Unabhängigkeit Haitis selbst: Der Haitianer an sich „schaffe es alleine eben nicht“; Die Weltgemeinschaft müsse nun zusammenstehen und Haiti von seinem „elenden“ Schicksal erlösen. Das Volk müsse endlich von seinen korrupten Eliten befreit werden, aus eigenen Kräften gelänge die politische Selbstverwaltung nicht. Weiterlesen „Haiti“

Es lebe der Sport

Mal wieder im Radio gehört: „Es lebe der Sport„:

Mutterseeln allanich sitzt er da bis in da Frua
Und schaut beim Boxn zua
Weu wenn sie zwa in die Goschn haun
Stärkt des sei unterdrücktes Selbstvertrauen
Die Gsichter san verschwolln und bluadich rot
Genußvoll beißt er in sei Schnitzelbrot
Und geht dann endlich einer in die Knia
Greift er zufrieden zu sein Bier

Es lebe der Sport er ist gesund und macht uns hart
Er gibt uns Kraft er gibt uns Schwung
Er ist beliebt bei alt und jung

Punk, paradox

Von der Kritik der Warengesellschaft zur Ware der Kritikgesellschaft:

Punk ist immer wieder eine „Herausforderung für die Hegemonie“ (Dick Hebdige). Er ist Katalysator diverser dissidenter Handlungstaktiken der künstlerischen Avantgarden des 20. Jahrhunderts und weist ein breites Repertoire an Protestpraktiken gegen die bestehenden Verhältnisse auf. Besonders deutlich wird dies in den kulturellen Materialisationen punktypischer Körper- und Kleidungsästhetik. Sie künden von der Subversion alltäglicher Symbole und Sachen und sind somit verobjektivierte Kritik an der Warengesellschaft.

Die Untersuchung der materiellen Kultur des Punk zeigt jedoch mehr: Der gesellschaftliche und individuelle Abgesang des „no future“ ist zugleich überlebens- und integrationsfähige Strategie. Die Zukunftslosigkeit zeigt sich als Zukunftsentwurf. Die Bewegung, im Sinne einer sozialen Avantgarde und somit als Motor der Masse, ist selbst treibende Kraft einer Rekuperation. Der symbolische Protest des Punk findet ebenso Niederschlag in Läden und auf Laufstegen – als Ware der Kritikgesellschaft.

Punk entpuppt sich als Bewegung im paradoxen Zustand gleichzeitiger gesellschaftlicher Gegnerschaft und Teilhabe. Der symbolische Protest bedeutet keinen Umsturz, sondern aktive Emanzipation mit Beeinflussungen der Mode und des Konsums.

Puddle Thinking

. . . imagine a puddle waking up one morning and thinking, ‚This is an interesting world I find myself in, an interesting hole I find myself in, fits me rather neatly, doesn’t it? In fact it fits me staggeringly well, must have been made to have me in it!‘ This is such a powerful idea that as the sun rises in the sky and the air heats up and as, gradually, the puddle gets smaller and smaller, it’s still frantically hanging on to the notion that everything’s going to be all right, because this world was meant to have him in it, was built to have him in it; so the moment he disappears catches him rather by surprise. I think this may be something we need to be on the watch out for.

Quelle: en.wikipedia.org

Käßmann über Afghanistan

Die alte Eule hat mal rausgesucht was die kreuzbrave ev. Bischöfin Margot Käßmann zum Thema Afghanistan eigentlich gesagt hat:

Nichts ist gut in Afghanistan. All diese Strategien, sie haben uns lange darüber hinweggetäuscht, dass Soldaten nun einmal Waffen benutzen und eben auch Zivilisten getötet werden. Das wissen die Menschen in Dresden besonders gut! Wir brauchen Menschen, die nicht erschrecken vor der Logik des Krieges, sondern ein klares Friedenszeugnis in der Welt abgeben, gegen Gewalt und Krieg aufbegehren und sagen: Die Hoffnung auf Gottes Zukunft gibt mir schon hier und jetzt den Mut von Alternativen zu reden und mich dafür einzusetzen. Manche finden das naiv. Ein Bundeswehroffizier schrieb mir, etwas zynisch, ich meinte wohl, ich könnte mit weiblichem Charme Taliban vom Frieden überzeugen. Ich bin nicht naiv. Aber Waffen schaffen offensichtlich auch keinen Frieden in Afghanistan. Wir brauchen mehr Fantasie für den Frieden, für ganz andere Formen, Konflikte zu bewältigen. Das kann manchmal mehr bewirken als alles abgeklärte Einstimmen in den vermeintlich so pragmatischen Ruf zu den Waffen. Vor gut zwanzig Jahren haben viele Menschen die Kerzen und Gebete auch hier in Dresden belächelt.

Also wenn sie damit als pazifistischer Hardliner aneckt, dann hat konkret Recht D übelsten Militarismus, der sich nur mal ein paar Jahre verstecken musste,  vorzuwerfen.

Moral im Focus

Die Wartezimmerlektüre bringt ein paar Bausteine zur Frage, ob der Mensch an sich gut oder böse ist, ans Licht:

  • Erhalten Kapuzineraffen für die selbe Leistung nur Gurke statt Traube wie der Kollege im Nachbarkäfig, dann werden sie wütend.
  • Sechs Jahre alte Säuglinge beobachten einen roten Punkt mit Gesicht, der versucht eine Steigung hochzukriechen. In einer Variante schiebt dann ein Dreieck von unten, in einer anderen Variante bremst ein Viereck von oben. Die Babys finden die Variante, bei der dem Kreisgesicht geholfen wird sympathischer.
  • Ergebnis aus 76 Studien mit mehr als 123 000 Unternehmen: Bonus-, Aktien- oder Optionszahlungen haben praktisch keinen Einfluss auf den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens.

Im wesentlichen geht der Artikel davon aus, dass sich moralisches Verhalten aus dem Sozialverhalten entwickelt hat. Allerlei Regeln, die das Zusammenleben einfacher machen. Und das menschliche Gehirn sei möglicherweise deshalb so groß, weil es ständig mit Abwägen beschäftigt ist. Na jedenfalls sind die Leute in dem Artikel der Meinung, dass Menschen von ihrer Biologie her einen Faible für Kooperation und Gerechtigkeit haben.

Und zum Klimawandel sagen sie: „Ist es also ein Gebot der Moral, den Klimawandel zu verhindern? Unter Philosophen gilt die Frage als extrem anspruchsvoll.“ Dazu müssten sich die Menschen als Gesamtkollektiv mit einem gemeinsamen Interesse begreifen. Aber das ist erst im Kommen. „Wenn Menschen über staatliche, nationale und kulturelle Grenzen hinweg miteinander sprechen, erweitert das nicht nur ihren persönlichen Horizont, sondern das nagt auch an jenen Schranken, die Menschen aufbauen, um sich als Gruppenmitglied zu identifizieren.“

Dass die kapitalistische Art des Wirtschaftens in diesem Zusammenhang ziemlich bekloppt ist, kann natürlich nicht im Focus stehen. Da gibt es lieber den guten Onkel Joseph.

Zeitloses perpetuum mobile

Manche von den Leuten, die mit ihren freien Stunden nichts anzufangen wissen, haben aus ihrer persönlichen Not eine gesellschaftliche Tugend gemacht; sie organisieren. Sie organisieren nicht etwa um eines Ergebnisses willen, nicht etwa zu dem Zweck, daß etwas Neues entstünde, nein; sie organisieren, damit organisiert ist. Es ist das einzige Perpetuum mobile, das je tatsächlich funktioniert hat: aus ihrer inneren Leere heraus organisieren sie ihre innere Leere weg. Sie drehen sich, und das befriedigt sie. Sie übertragen eine Kraft von irgendwo nach irgendwo, und wie das in der Mechanik zu sein pflegt, verändern sie dabei die Bewegungsrichtung oder die Drehzahl oder erzeugen Leerlauf, und unter ungünstigen Umständen geht das ganze Getriebe zum Teufel, aber wie gesagt: davon haben sie keine Ahnung.

stammt aus Werner Bräunigs Rummelplatz, wobei mich das Buch momentan überhaupt nicht interessiert.

Junge Menschen in Deutschland

Quelle 1:

In keinem anderen Industrieland sind junge Menschen so pessimistisch wie in Deutschland, heißt es in einer Unicef-Studie. Möglicherweise wird diese Haltung als Teil der gesellschaftlichen Kultur vermittelt. In Deutschland dominiere die Gefahr des Scheiterns das Denken. Dabei ist das Lebensumfeld beispielhaft gut.

Quelle2:

Deutschlands Kindern geht es im internationalen Vergleich gut. Im Vergleich zu 2007 hat sich Deutschland mit dem 8. Platz von 21 Ländern um drei Ränge verbessert. Die Studie zeigt unter anderem, dass Kinder und Jugendliche in Deutschland ausnehmend gut mit ihrer Familie und mit Gleichaltrigen auskommen. Für drei von vier deutschen Jugendlichen sind die Eltern die wichtigsten Vertrauenspersonen, mit denen sie reden können. Sie haben hilfsbereite Freunde und Mitschüler und gehen zu einem hohen Anteil gerne zur Schule.

In beiden Artikeln wird dieselbe UNICEF-Studie „Zur Lage der Kinder in Deutschland 2010“ zusammengefasst. Da hilft wohl nur selber lesen. Da ich die Zeit nicht habe, schließe ich mich der tendenziellen Meinung an, die besser in mein vorgefasstes Schema passt.