Josef Mitterer und das Reden über Wirklichkeit

Von Josef Mitterer hatte ich letztes Jahr gehört. Jetzt habe ich sein Büchlein „Die Flucht aus der Beliebigkeit“ mal gelesen. Mitterer wettert gegen Grundannahmen unseres Denkens. Nämlich, dass es eine Wirklichkeit gäbe über die wir reden. Und die Philosophen seien sich nur uneins über den Zusammenhang zwischen Wirklichkeit und Reden über Wirklichkeit. Er schreibt:

Die unbefriedigende Situation in der Welt des Alltags: Zwar ist von Wahrheit kaum die Rede, solange keine Konflikte auftreten, doch wenn Konflikte auftreten, dann behaupten alle Konfliktparteien, dass die Wahrheit auf ihrer Seite steht (oder dass ihre Auffassungen mit der Wirklichkeit übereinstimmen, die Tatsachen korrekt wiedergeben, einen Sachverhalt zutreffend darstellen, im Recht sind etc.). Damit geraten die Parteien in Pattstellungen, die wiederum infolge der Unterstellung, dass es nur eine Wahrheit gibt, zum Einsatz von Macht zur Unterstützung und Durchsetzung der je eigenen Wahrheitsansprüche führen können.

Seine Lösung. Das Einzige was wir mit Sicherheit wissen: Wir meinen, über Dinge zu reden. Und das, was jemand oder eine Gruppe von Leuten zu einem bestimmten Zeitpunkt für richtig hält, das wird Wahrheit genannt. Aber wenn ich die Grundannahme der Dichotomie von Welt und Reden über Welt suspendiere, dann wird jeder Diskussion die Härte genommen:

Die Wirklichkeit ist nichts weiter als der »letzte Stand der Dinge«, als jene Auffassungen, die zum gegenwärtigen Zeitpunkt vertreten werden.

Sehr beruhigend, sehr entspannend.

Max Weber und die Weltenretter

Das Arbeitsethos des getriebenen Menschen erscheint Max Weber nicht als Quelle menschlichen Glücks, auch nicht als Grundlage psychischer Stärke. Der getriebene Mensch ist zu sehr unter der Last des Gewichts gebeugt, das er der Arbeit zuzumessen gelernt hat. Disziplin ist ein Akt der Selbstverleugnung, sagt Michel Foucault, und genauso erscheint sie in Webers Darstellung des Arbeitsethos.
(Richard Sennett: Der flexible Mensch. Die Kultur des neuen Kapitalismus., Wiesbeck, 2000, S. 141f)

Kann schon sein, das manche Leute tiefenökologisch in Liebe mit der Schöpfung verbunden sind. Aber mir scheint viele (ich auch?) der Weltenretter, die heute so unterwegs sind, sind getriebene Menschen, wie in obigem Zitat.