Von Josef Mitterer hatte ich letztes Jahr gehört. Jetzt habe ich sein Büchlein „Die Flucht aus der Beliebigkeit“ mal gelesen. Mitterer wettert gegen Grundannahmen unseres Denkens. Nämlich, dass es eine Wirklichkeit gäbe über die wir reden. Und die Philosophen seien sich nur uneins über den Zusammenhang zwischen Wirklichkeit und Reden über Wirklichkeit. Er schreibt:
Die unbefriedigende Situation in der Welt des Alltags: Zwar ist von Wahrheit kaum die Rede, solange keine Konflikte auftreten, doch wenn Konflikte auftreten, dann behaupten alle Konfliktparteien, dass die Wahrheit auf ihrer Seite steht (oder dass ihre Auffassungen mit der Wirklichkeit übereinstimmen, die Tatsachen korrekt wiedergeben, einen Sachverhalt zutreffend darstellen, im Recht sind etc.). Damit geraten die Parteien in Pattstellungen, die wiederum infolge der Unterstellung, dass es nur eine Wahrheit gibt, zum Einsatz von Macht zur Unterstützung und Durchsetzung der je eigenen Wahrheitsansprüche führen können.
Seine Lösung. Das Einzige was wir mit Sicherheit wissen: Wir meinen, über Dinge zu reden. Und das, was jemand oder eine Gruppe von Leuten zu einem bestimmten Zeitpunkt für richtig hält, das wird Wahrheit genannt. Aber wenn ich die Grundannahme der Dichotomie von Welt und Reden über Welt suspendiere, dann wird jeder Diskussion die Härte genommen:
Die Wirklichkeit ist nichts weiter als der »letzte Stand der Dinge«, als jene Auffassungen, die zum gegenwärtigen Zeitpunkt vertreten werden.
Sehr beruhigend, sehr entspannend.