Das Kino-Gleichnis

Was passiert eigentlich, wenn das Höhlengleichnis im modernen Multiplexkino veranstaltet wird. Da sitzen also die Leute gefesselt an ihre Sitze, so dass sie nur ihren Film sehen können. Einer macht sich los, entdeckt im Nachbarsaal einen anderen Film. Vielleicht entdeckt er auch den Raum mit den Projektoren. Den Ausgang jedenfalls findet er nicht…

Weltbeschreibung?

3 Begegnungen die zusammenpassen: das Pimmelbild, ein Musikvideo von OK Go und ein Ausflug zu Sophia.

Das war schon beeindruckend, diese Philosophieausstellung. So eine alte DDR-Aula. Und darin so Skulpturen/Objekte, die jeweils eine philosophische Theorie visualisieren. Da stehen also diese Theorien im Raum. Jede von sich überzeugt, dass sie stimmt. Und jede hat eine bestimmte Facette des Seins erfasst und postuliert ein stimmiges Bild – genau wie es im Musikvideo passiert. Die Philosophen gucken aus einem jeweils bestimmten Winkel in eine bestimmte Richtung und sehen ein Muster und sagen: Die Welt ist so und so. Und von ihrer jeweiligen Position aus haben sie alle Recht. Und manchmal wird eine Theorie populär, ergreift die Massen und wird zur materiellen Gewalt.

Elfenbeinturm oder Irrsinn

Damals, als ich mich nur in Büchern und auf Seminaren rumgetrieben habe, da war die Welt noch in Ordnung. Kritische Theorie, eine ordentliche Portion Skepsis. Ein schickes geschlossenes Weltbild mit Marx und Naturalismus im Mittelpunkt. Der Nachteil: In solchen Kreisen ist die Frage: „Was tun?“ verpönt. Radikale Kritik allein sei schon Praxis. Blöd nur, dass für mich in diesem Zusammenhang nur die Position des Kritikkonsumenten übrig war. Elfenbeinturm eben.

Seit einiger Zeit bin ich mit Leuten unterwegs, die was machen. Und plötzlich tauchen Chemtrails auf, die FED ist das Übel der Welt, die außerdem von Reptiloiden regiert wird. Irrsinn, wie ich mit meiner Elfenbeinturmweisheit meine, der mir unheimlich viel Zeit und Energie raubt.

Daniel Kulla hat in einem Vortrag „Entschwörungstheorie – Niemand regiert die Welt“ erklärt, warum das so ist. Seine Hauptthese, so wie ich sie verstanden habe, geht so: Es gibt Leute, die verstehen Gesellschaft als Verhältnis, das sich entwickelt, an dem alle beteiligt sind. Kapitalismus würde nicht funktionieren, wenn nicht so viele mitmachen würden. Linke denken so, ich finde das auch ziemlich schlüssig. Dann gibt es welche, die schreiben bestimmten Gruppen besondere Rollen zu – den Juden, den Ausländern, den Heuschrecken. So etwas ist in Deutschland etwa bei der Analyse des Faschismus verbreitet, wie Hannes Heer in seinem Buch „Hitler war’s“ erklärt. Die Verschwörungstheorie treibt dieses Denken auf die Spitze. Die Verhältnisse, wie sie sind, könnten eigentlich gut sein. Aber es gibt Risse im System und diese Risse, diese Leerstellen werden mit geheimen Leerstellen gefüllt. Das hat den Vorteil, das man selbst nichts machen muss.

Na ja, jedenfalls bin ich aus dem Vortrag sehr entspannt nach hause gegangen, weil mir klarer geworden ist, welche Funktion Verschwörungstheorien haben. Sie machen das Leben leichter, machen das Weltbild rund. Vielleicht sind sie ja auch eine Art Gottesersatz. Und ich bin mit meinem marxistischen Halbwissen gar nicht so weit davon entfernt.


Noch mehr Lesekram

Gelenkte Wahrnehmung

In so einer Ausstellung der Burg hing ein Bild, das sehr schön zeigt wie Wahrnehmung funktioniert, wie ich etwas ganz bestimmtes sehe, wenn ich eine bestimmte Brille aufhabe, ein bestimmtes Leben geführt habe, mich für bestimmte Ideologien/Weltbilder/Verschwörungstheorien begeistere.

Wahrscheinlich funktionieren so Geisteswissenschaften. An ein paar Messpunkten wird ein Muster erkannt und dann wird das Muster auf alles Mögliche und Unmögliche übertragen.

Leider habe ich den Künstler nicht mit aufgeschrieben, ich hoffe er/sie hängt mir keine Urheberrechtsverletzung ans Knie: