Schorlemmer vs. Gauck

Friedrich Schorlemmer spricht mir aus der Seele:

Es ist wunderbar, dass er das Loblied auf die Freiheit singt. Aber er müsste auch das Loblied auf die Gerechtigkeit singen, damit sich alle die Freiheit leisten können.

Was ich grundsätzlich bedauere, ist das Monothematische an Gauck. Wer von der Freiheit spricht, der muss auch vom Brot sprechen, vom Wasser, vom Wetter, vom Frieden.

Facebook und die ARD

Ach, ich weiß auch nicht, die DOKU war typisch ARD.
Wie genau Facebook jetzt mein Profil auswertet, weiß ich immer noch nicht. Da amüsiere ich mich eher in meinem Profil darüber, dass Facebook nicht so recht weiß, welche Werbung es bei mir schalten soll. Die einzige Invariante ist Bauchfett und Fitness (über 40, männlich)
Noch schräger die Empörung darüber, meine Daten, zu Geld zu machen. Da gibt es Unternehmen, die verdienen an mir, weil ich nicht nur Livemusik konsumieren will, da gibt es Unternehmen, die verdienen an mir, weil ich keine Zeit und keine Lust habe, meine Ortsveränderungen zu Fuß vorzunehmen. Da gibt es eine ganze Branche, die an mir verdient, weil ich ein paar Wochen im Jahr woanders sein will. Und jetzt ist dem Herrn Zuckerberg noch was Neues eingefallen – wie verwerflich.

Fundstücke

Irgendwann war ich mal weinerlich und grämte mich, ob mir die Finanzkrise wohl meine Ersparnisse rauben würde oder ob ich unter Bedingungen zusammengebrochener Infrastruktur weiterleben müsse. Da lief mir so ein Spruch über den Weg:

„Von guten Mächten wunderbar geborgen erwarten wir getrost, was kommen mag. Gott ist bei uns am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag.“

Dietrich Bonhoeffer, zum Jahreswechsel 1944/45, wenige Monate vor seiner Ermordung

Und andererseits war es die Rote Armee unter Stalin, die den Deutschen mit/unter Hitler Einhalt gebot und nicht die Weiße Rose oder Stauffenberg.

Faschismus als Sinnstiftung

Peter Handke in „Wunschloses Unglück“ über seine Mutter, Jg. 1920, wie sie den Anschluss Österreichs 1938 erlebte:

»Wir waren ziemlich aufgeregt«, erzählte die Mutter. Zum ersten Mal gab es Gemeinschaftserlebnisse. Selbst die werktägliche Langeweile wurde festtäglich stimmungsvoll, »bis in die späten Nachtstunden hinein«. Endlich einmal zeigte sich für alles bis dahin Unbegreifliche und Fremde ein großer Zusammenhang: es ordnete sich in eine Beziehung zueinander, und selbst das befremdend automatische Arbeiten wurde sinnvoll, als Fest. Die Bewegungen, die man dabei vollführte, montierten sich dadurch, daß man sie im Bewußtsein gleichzeitig von unzähligen anderen ausgeführt sah, zu einem sportlichen Rhythmus – und das Leben bekam damit eine Form, in der man sich gut aufgehoben und doch frei fühlte.

Ach, wie ich es kenne, dieses wohlig-warme, elektrisierende Wir-Gefühl. Bei der Sitzblockade, beim Arbeitseinsatz, beim Umzug aus einer ungeliebten Wohnung in eine schönere. Wir schaffen etwas gemeinsam. Und es ist gut. (Und die Prüfung, ob es gut ist, ist recht oberflächlich, kommt in der Euphorie zu kurz.)

Römische Ultras

Die Sonderausstellung über Pompeji berichtet über Stadionkloppereien unter Zuschauern von Gladiatorenkämpfen: Erst Rempeln, dann Steineschmeißen und dann gab es eine große Anzahl Tote. Sanktion: 10 Jahre keine ähnlichen Veranstaltungen in Pompeji:

Um eben diese Zeit entstand aus unbedeutendem Anfange ein entsetzliches Blutvergießen zwischen den nucerinischen und pompejianischen Kolonisten bei einem Fechterspiele, welches Livineius Regulus gab, der, wie ich erzählt habe, aus dem Senate ausgestoßen war. Mit kleinstädtischem Mutwillen einander neckend, kamen sie zu Schimpfreden, dann zu Steinwürfen, endlich zum Schwert, und die Oberhand behielt das Volk von Pompeii, wo das Schauspiel gegeben wurde.

So wurden denn viele von den Nucerinern durch Verwundungen verstümmelt nach der Stadt getragen, und gar manche beweinten den Tod von Kindern oder Eltern, hierüber zu richten überließ der Fürst dem Senate, der Senat den Konsuln, und als die Sache wiederum vor den Senat gebracht worden war, wurden den Pompeianern auf zehn Jahre dergleichen Zusammenkünfte untersagt, und die Vereine, welche sie gegen die Gesetze gestiftet hatten, aufgelöst; Livineius und wer sonst noch den Tumult veranlaßt hatte, wurde mit Verbannung bestraft. (Ubers.: Andreas Schaefer)

Quelle: Tacitus, Annales XIV, 17

Sündenfall und Brudermord

Aus dem Erklärungstext der „Steinzeittragödie von Eulau

Aus der Wildbeuterzeit gibt es nur wenige Spuren handgreiflicher Konflikte, mit den ersten Hirten und Bauern erhöhte sich ihre Zahl jedoch auffällig.

Da fallen mir sofort der Sündenfall und Kain&Abel ein. Und Rousseau mit seinem:

Der erste, der ein Stück Land mit einem Zaun umgab und auf den Gedanken kam zu sagen »Dies gehört mir« und der Leute fand, die einfältig genug waren, ihm zu glauben, war der eigentliche Begründer der bürgerlichen Gesellschaft. Wie viele Verbrechen, Kriege, Morde, wieviel Elend und Schrecken  wäre dem Menschengeschlecht erspart geblieben, wenn jemand die Pfähle ausgerissen und seinen Mitmenschen zugerufen hätte: »Hütet euch, dem Betrüger Glauben zu schenken; ihr seid verloren, wenn ihr vergesst, dass zwar die Früchte allen, aber die Erde niemandem gehört.

Es scheint also noch komplizierter zu sein. Es war nicht allein das Privateigentum, das das Zusammenleben der Menschen komplizierter und konfliktvoller machte, das Elend fing mit Sesshaftigkeit und Ackerbau an.