Lulu

Dann gab es noch Lulu von Alban Berg in der Oper Halle:

Nun ist das ja nicht so ganz einfache Musik und so eine Banause wie meinereiner ist sich nie ganz sicher, ob es sich vielleicht doch um des Kaisers neue Kleider handelt. Und dann noch mein Halbwissen über Adorno, der ganz garstig darauf pochte, man müsse ordentlich die Komposition verstehen und ich verstehe überhaupt nichts von Musik, aber mein alter DDR-Opernführer beruhigt mich mit den Worten des Komponisten:

Nach Bergs Forderung »darf es … im Publikum keinen geben, der etwas von diesen diversen Fugen und Inventionen, Suiten und Sonatensätzen, Variationen und Passacaglien merkt, keinen, der von etwas anderem erfüllt ist als von der weit über das Einzelschicksal hinausgehenden Idee der >Oper<«.

Jedenfalls habe ich mir den Trailer nochmal angeguckt und fand die Sache total bescheuert. Im Theater war es etwas anderes, da erschien mir die Musik als durchgängiger Soundteppich, der nicht unbedingt schön war oder zum Schunkeln einlud, der aber auf jeden Fall über die ganze Zeit spannend, geradezu fesselnd war.

Adornos Bildungsauftrag

„Politische Bildung muss Motive der Ideologiekritik aufnehmen. Sie vermag die Kruste von Gleichgültigkeit und Desinteresse zu durchbrechen, wenn es ihr gelingt, politische Vorgänge auf die Struktur der sie tragenden Interessen zu beziehen und einen einsichtigen Zusammenhang herzustellen zwischen dem Zustand des Gemeinwesens und den persönlichen Belangen der Einzelnen. Sie fügt der bestätigten Erkenntnis sich ein, dass politisch aufgeklärtes Bewusstsein abhängt von jener geistigen Autonomie, die herzustellen der allein legitime Sinn jeglicher Bildung ist.“

Theodor Wiesengrund Adorno, Vorrede zu Manfred Teschners Politik und Gesellschaft im Unterricht. (gefunden beim Che)

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Aufklärung

Von wem stammt das Zitat und aus welcher Zeit:

Wenn denn nun gefragt wird: leben wir jetzt in einem aufgeklärten Zeitalter? So ist die Antwort: nein, aber wohl in einem Zeitalter der Aufklärung. Daß die Menschen, wie die Sachen jetzt stehen, im Ganzen genommen, schon im Stande wären, oder darin auch nur gesetzt werden könnten, in Religionsdingen sich ihres eigenen Verstandes ohne Leitung   eines andern sicher und gut zu bedienen, daran fehlt noch sehr viel. Allein daß jetzt ihnen doch das Feld geöffnet wird, sich dahin frei zu bearbeiten, und die Hindernisse der allgemeinen Aufklärung, oder des Ausganges aus  ihrer selbst verschuldeten Unmündigkeit allmählig weniger werden, davon haben wir doch deutliche Anzeigen. (Quelle)

Kant natürlich, 1784, was ist anderes zu erwarten bei meinem kantlastigen Studium, das das eigenverantwortliche Subjekt auf den Sockel der bürgerlichen Freiheit stellt. Wenn jetzt noch Walter Benjamins „Kapitalismus als Religion“ dazugenommen wird, kann man die Sache fast so stehenlassen. Obwohl, der Absatz geht wie folgt weiter:

In diesem Betracht ist dieses Zeitalter das Zeitalter der Aufklärung, oder das Jahrhundert Friedrichs.

Sind die heutigen Herrscher so aufgeklärt, dass sich die Menschen „in Religionsdingen“ „frei bearbeiten“ können?

Große Verwirrung

Wie nicht anders zu erwarten, allerlei Ungereimtheiten nach meiner ersten Didaktiksession Ethik:

  1. Der Ethiklehrplan ist streng nach Kant gegliedert. Jeweils einmal pro Klassenstufe wird durcherxerziert: Was kann ich wissen? Was soll ich tun? Was darf ich hoffen? Was ist der Mensch? Und das obwohl es vor dem Lehrplan noch so eine Kopie über Kants Regeln zum Philosophieren gab: 1. Selbst denken. … Auf keines Lehrers Worte zu schwören verpflichtet sein.
    Und überhaupt meinte die Dozentin für Praktische Philosophie im letzten Semester: „Kants Ethik ist überholt.“
  2. Ethiklehrplan, Klasse 7/8 Sachsen-Anhalt, S. 34: „Tolerieren heißt dulden, was einem nicht gefällt.“ Also wenn der Fascho aufhört alles aufzuklatschen, was ihm nicht passt, dann ist das Toleranz. Ich dachte immer Toleranz ist etwas mehr.
  3. Ethiklehrplan, Klasse 7/8 Sachsen-Anhalt, S. 32: „Ausgleichende Gerechtigkeit: Was ist eine gerechte Bestrafung? Elemente der Fallbeschreibung: Schuldfeststellung, Bewertung von Entschuldigungsgründen, Verzeihen und Strafen, Versöhnen“ Kein Zweifel daran, dass jede Handlung irgendwie in ein Raster richtig oder falsch gepresst werden muss.

Dass die Lehrpläne unbedingt als geschützte PDFs im Netz stehen nur am Rande.

2 Zitate

Wer unser Gastrecht missbraucht, für den gibt es nur eines: Raus, und zwar schnell! (Gerhard Schröder, SPD. 1997)

Und von einem aktuellen Wahlplakat der NPD

Kriminelle Ausländer raus!

Aristoteles und Giacometti

Weil wir uns beim Studium mit Aristoteles rumgeschlagen haben, las ich einen Artikel über Giacometti mit der metaphysischen Brille:

1963, also drei Jahre vor dem Tod Giacomettis, fragt ihn ein Interviewer: »Da Sie so großen Wert darauf legen, den Menschen so zu reproduzieren, wie er ist, warum stellen Sie dann keine Abformungen her?« Er antwortet: »Das habe ich mal gemacht. Grauenhaft. Diese großen amorphen Oberflächen spiegeln vielleicht die physische Wahrheit des Menschen wider, aber erinnern an niemanden, an nichts, was wir sehen. Vielleicht ist das der Mensch, wie er ist, aber es ist jedenfalls nicht der Mensch, wie er mir erscheint, wenn ich ihn betrachte« …
Nach seiner surrealistischen Phase war Giacometti dazu übergegangen, bzw. dahin zurückgekehrt, Menschen zu porträtieren. Er machte dabei eine niederschmetternde Erfahrung, die man antimikroskopisch nennen könnte: »Je mehr ich mich annähere, um so größer wird (das Gesicht) und um so mehr entfernt es sich.« Der menschliche Kopf, der zunächst eine Kugel war, zerfällt bei näherem Hinsehen in viele kaum miteinander zu vereinbarende Details, er wird zu einem »unbekannten Zeichen«. Der Künstler tritt zurück, um das Ganze im Blick zu behalten. Und dieses Zurücktreten hält er in der Skulptur oder auf dem Gemälde fest.
Quelle: Je näher, desto ferner, Stefan Ripplinger in konkret 02/2011

Das passt genau zu Aristoteles‘ Unterscheidung von Substanz und Akzidenz – das Ringen des Künstlers um das Wesentliche, das Zugrundeliegende.