Connectedness und Nachhaltigkeit

connectednessDie Autoren des Sammelbandes Connectedness von Gerald Hüther und Christa Spannbauer werden nicht müde auf immer neue Weise herauszuarbeiten, wie wir Menschen auf vielfältigste Weise miteinander und allem verbunden sind. Eine Sammlung ganz brauchbarer Predigten gegen den IndividualisMUS, voll von Zitaten wie diesem:

Wir glauben nur zu gern, dass das Ich ewig und unveränderlich besteht. «Ich bin der Ich-bin», sagt im Alten Testament Gott von sich selbst. Nicht erst in der Neuzeit fingen die Menschen an, selbst solch ein Ich-Gott sein zu wollen. Doch dieses Ich ist leer, wie die erste Lehraussage des Buddha besagt: Der Ich-Gedanke ist eine Illusion. Wir denken diesen Gedanken in einer Sprache, die zwar unsere Muttersprache ist, die wir aber nicht selbst geschaffen haben. Wir sind verkörpert in einem Leib, der zusammengesetzt ist aus transformierten Pflanzen und Tieren, der kaum fünf Minuten ohne Luft auskommt, nicht lange ohne Wasser und der in seinem Lebensumfeld völlig abhängig ist von anderen Menschen und der Natur. Wir bauen unser Ich als Idee ebenso aus dem Material von Gedanken auf, die wir in der Sprache und den Medien von anderen übernehmen, wie wir unseren Körper aus anderen Lebewesen aufbauen und mit den Produkten von anderen Menschen, wie Kleidung, Häuser, Autos und so weiter, umgeben. All das nennen wir «mein» – obwohl es doch nur Ausdruck unserer völligen Abhängigkeit von anderen und von der Natur ist. Genau betrachtet ist also der Gedanke «Ich bin» ein völlig unsinniger Gedanke. Und der Satz von René Descartes cogito ergo sum – «Ich denke, also bin ich» besagt eigentlich das genaue Gegenteil von dem, was gewöhnlich damit verbunden wird. Ich denke in einer Sprache, die ich nicht geschaffen habe, in Bildern, die von außen kommen, habe Gefühle, die ich in meinem aus fremden Lebewesen aufgebauten Körper empfinde. Also bin ich all dies, wovon ich abhänge. Ich denke, also bin ich kein getrenntes Ich, sondern ein vielfältiger, von vielem abhängiger Prozess. (Karl-Heinz Brodbeck – Von der Geldgier zum Wachstum an Verbundenheit)

Und vor diesem Hintergrund erscheint nachhaltiges Handeln, Bewahrung der Schöpfung oder wie immer man es nennen mag nicht mehr als moralinsaures Gebot.

Mein Ein und Alles?

Gesa Meyer betreibt Kritik der Mononormativität. Sie klärt, wie das mit der romantischen Liebe ist/gekommen ist:

  • Romantik ist ein Gegenentwurf zu Aufklärung und Industrialisierung.
  • Romantische Liebe war Anfangs Rebellion und bedeutete Aufwertung der Frau.
  • Sie dient(e) als Gottesersatz.
  • Historisch betrachtet – und ganz grob zusammengefasst – vollzog sich die Verkoppelung des Dreiklangs von christlicher Ehe, Sexualität und Liebe hierzulande erst ab Ende des 18. Jahrhunderts mit dem aufkommenden Ideal romantischer Liebe und der Durchsetzung der bürgerlich-patriarchalen Kernfamilie als klassenübergreifendes Normalmodell.
  • Die romantische Liebe ist gekennzeichnet durch:
    • Individualismus (jemanden um seiner selbst willen lieben)
    • Komplementarität (gegenseitiges Ergänzen)
    • Höchstrelevanz des Paares

Was ich mich frage: Ist der Revolutionär, der Diener der Sache genau so ein unaufgeklärter Romantiker wie der romantisch Liebende. Das Begehren nach dem 7. Himmel der Zweisamkeit und das Erträumen der revolutionären Utopie zwei Erscheinungsformen desselben Begehrens.

Mitschrift

Deutschland als Konstrukt

Bei mir um die Ecke gibt es so einen Spruch:deutschlandNa ja, man müsste einfach das Wort krank streichen. Dann wird diese Sichtweise ganz nützlich. Nation als so ein Dingens, das existiert, weil hinreichend viele dran glauben. So wie der Weihnachtsmann oder der liebe Gott. Und dann kann man sich hinsetzen und fragen: Wofür ist es gut, Deutschland zu denken und wo schadet es wem. Aber mit dem Attribut „krank“ erhebt sich der Autor über denjenigen, der Deutschland denkt und stellt ihn in die kranke Ecke und hebt sich selbst aufs gesunde Podest.

Grenzgang und Individualismus

Mit jemandem, der über Volksfrömmigkeit forscht, geschwatzt: Die Leute sind damals zeremoniell die GRENZE ihrer Gemarkung abgelaufen. Schwelle und Fenster als wichtige GRENZEN des Hauses. Vielleicht sind das Puzzlestücke in unserer Denkkultur? Diese Kultur kennt das Wort Umwelt. Ich bin ein von der Gesellschaft verschiedenes Individuum. Getrenntes, Vereinzeltes. Ganz anders die andine Denkkultur: Dort ist die Welt ein Gewusel von Relationen und wir Menschen und die anderen Dinge sind Schnittpunkte in diesem Relationsgeflecht. Die Vorstellung von UMwelt unmöglich.