Jesus der gewaltlose Anarchist

Buchvorstellung in der JungenWelt:

Manche Theoretiker sehen auch in der Art, wie Jesus gegen die römische Besatzung und gegen die lokalen Machthaber seiner Zeit Widerstand geleistet, und welche Optionen er nicht in Betracht gezogen hat, einen Hinweis dafür, dass der Bezug zum Anarchismus legitim erscheint.

  • Er weigerte sich, mit der römischen Besatzungsmacht zusammenzuarbeiten und die daraus resultierenden finanziellen Vorteile zu akzeptieren, wie das bei den Sadduzäern der Fall war.
  • Er weigerte sich auch, nach Reformen im existierenden, unterdrückerischen System zu streben, wie es die Pharisäer taten.
  • Auch kapselte er sich nicht völlig von der als fehlgeleitet betrachteten Gesellschaft ab, um ein »reines« Leben abseits dieser gestalten zu können, wie bei den Essenern.
  • Und zu guter Letzt lehnte er auch den bewaffneten revolutionären Kampf, wie ihn die jüdischen Widerstandskämpfer der Zeloten propagierten, ab.

Jesus strebte eine völlige Umwälzung der herrschenden Verhältnisse und eine egalitäre Gesellschaftsordnung an und versuchte, dies ausschließlich mit dem Mittel radikaler und konsequenter Gewaltfreiheit zu erreichen. Dies alles tat er mit dem Ziel, alle Menschen auf die ihnen offenstehende Möglichkeit hinzuweisen, im Hier und Jetzt in das »Reich Gottes« einzutreten.

Passt alles wunderbar.
Außer: Wir und die. Widerstand „gegen die römische Besatzung und gegen die lokalen Machthaber“ impliziert dieses Gegensatzpaar: Wir sind die Guten – die anderen sind die Bösen, mit Widerstand zu behandeln.

Die Tricks der modernen Wissenschaft

Springen wir etwa zweitausend Jahre und sehen wir, wie die moderne Wissenschaft erklärt. Wie erklären wir eine einfache Beobachtung, etwa dass die Katze Lucy am liebsten den Kanarienvogel fressen würde? Wir verwenden einen sehr einfachen logischen Zusammenhang, in dem wir einen >Obersatz< mit einem >Untersatz< verbinden. Der erstere gibt uns ein allgemeines Gesetz, etwa >Katzen sind genetisch mit einem Beuteschema ausgestattet, das auf kleine Vögel passt<. Dies verbinden wir nun mit der Einordnung von Lucy in die Gattung der Katzen, wie wir dies im sog. Untersatz >Lucy ist eine Katze< aussprechen können. Wenn wir nun daraus die Folge ziehen, so kommen wir genau auf das, was wir beobachtet haben: die Katze Lucy möchte den Kanarienvogel fressen. Aber nun handelt es sich nicht mehr um eine Beobachtung, sondern um eine Folgerung aus dem allgemeinen Gesetz, das wir im >Obersatz< ausgedrückt hatten. Deshalb haben wir nun eine erklärte Beobachtung.

Der >Trick< der modernen Wissenschaft besteht grundsätzlich darin, dass wir mit einer solchen Ableitung aus allgemeinen Gesetzen als Erklärung zufrieden sind. Wir können natürlich im Prinzip auch weiter fragen, warum denn Katzen mit einem solchen Beuteschema ausgestattet sind. Damit ändert sich aber das Prinzip des Erklärens nicht. Auch jetzt müssten wir auf ein allgemeines Gesetz stoßen, das mit einem Untersatz verbunden werden könnte, so dass sich daraus das ableiten lässt, was wir nun erklären wollen.

Aus: Georg Römpp. Aristoteles

Und so weiter.