Ein herrlich garstiger Einstieg in die kleine Schrift: „Vom Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben„:
Betrachte die Herde, die an dir vorüberweidet: sie weiß nicht, was Gestern, was Heute ist, springt umher, frißt, ruht, verdaut, springt wieder, und so vom Morgen bis zur Nacht und von Tage zu Tage, kurz angebunden mit ihrer Lust und Unlust, nämlich an den Pflock des Augenblicks, und deshalb weder schwermütig noch überdrüssig. Dies zu sehen geht dem Menschen hart ein, weil er seines Menschentums sich vor dem Tiere brüstet und doch nach seinem Glücke eifersüchtig hinblickt – denn das will er allein, gleich dem Tiere weder überdrüssig noch unter Schmerzen leben, und will es doch vergebens, weil er es nicht will wie das Tier. Der Mensch fragt wohl einmal das Tier: warum redest du mir nicht von deinem Glücke und siehst mich nur an? Das Tier will auch antworten und sagen: das kommt daher, daß ich immer gleich vergesse, was ich sagen wollte — da vergaß es aber auch schon diese Antwort und schwieg: so daß der Mensch sich darob verwunderte.
Das ist genau der Zweifel, der mich beschleicht, wenn ich Eckhardt Tolle & Co. vom Leben im Hier und Jetzt raunen höre. Freilich kann ich mich so konditionieren, dass ich Verletzungen von Gestern abstreife und die Furcht vor dem Morgen leugne. Aber was ist das anderes als Askese. Das ist ja einfach, Emotionen runterkochen, bis ich nichts mehr merke.